Interne Kommunikation: Wichtiger denn je

Der 22. März 2020 wird für viele Unternehmen in unguter Erinnerung bleiben: Es war der Tag, an dem aus dem Stand eine Vielzahl von deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer coronabedingt ins Homeoffice wechselten. Und nicht wenige Betriebe mussten feststellen, dass sie auf eine solche Situation gänzlich unvorbereitet waren: Der Kontakt zur eigenen Mitarbeiterschaft gestaltete sich von einem Tag auf den anderen zur Herausforderung für Geschäftsführungen und Kommunikationsabteilungen, in manchen Fällen sogar zur Überlebensfrage. Das Gute: Noch nie wurden so schnell alte Zöpfe abgeschnitten und neue Werkzeuge eingeführt wie in den ersten Lockdown-Wochen. Digitale Kanäle und Formate, die vorher an vielen Hürden gescheitert waren, wurden über Nacht selbstverständlich eingeführt. Perfektion war nicht in dieser Situation plötzlich nicht mehr so wichtig – wichtig war die Kontaktherstellung.

In diesen Tagen werden nun sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Allerdings sind sich die Experten einig, dass sowohl Belegschaften wie Unternehmensführungen die Vorteile von zumindest teilweisen Homeoffice-Lösungen erkannt haben. Wenn also die erste Euphorie über das Wiedersehen in Kaffeeküchen und Teammeetings in einem Raum abgeklungen sind, werden sich vielerorts Lösungen etablieren, die Mitarbeitenden an einem bis drei Tagen in der Woche das Arbeiten von zuhause möglich machen.

Hybride Ausrichtung

Damit ändern sich die Bedingungen für interne Kommunikation allerdings ein weiteres Mal: Es geht schlicht um nichts anderes, als die Unternehmenskultur und die dazugehörige Kommunikation nun konsequent und dauerhaft auf hybride Teilhabe auszurichten. Strategie, Kanäle und Maßnahmen müssen dazu wieder auf den Prüfstand. Und Unternehmen, die ihre interne Kommunikation immer noch um die in den vergangenen Jahrzehnten gültigen Zielmotive Zufriedenheit, Engagement und Mobilisierung planen, müssen nun wirklich den Schritt zur Gestaltung von Employer Experience gehen.

Das Modell, das seit gut zwei Jahren Einzug in vielen Unternehmen hält, ist untrennbar mit der Entwicklung unserer Informations- und Medienwelt verbunden und trägt der gesellschaftlichen Individualisierung Rechnung. In einer Welt, in der jeder Empfänger UND Sender ist, Informationen 24/7 aktualisiert werden und Relevanz das Kriterium ist, ob etwas „gehört“ und „verstanden“ wird, musste auch schon vor Corona die innerbetriebliche Kommunikation eine andere werden. Nun gilt erst recht, die Möglichkeiten der internen Kommunikation und der Digitalisierung zu nutzen, um Unternehmen in ihrer Flexibilität zu stärken, das notwendige Mindset für selbständige Mitarbeitende herzustellen und neben der Inhaltsvermittlung den Veränderungsprozess bzw. die (neue) Gesamthaltung zu kommunizieren – empfängerorientiert und unter größtmöglicher sinnvoller Gestaltung von Partizipationsangeboten.

Von den Großen lernen

Viele (und nicht nur die großen) Unternehmen haben sich bereits auf den Weg gemacht, adäquate Lösungen zu finden. Maßgeschneiderte Social Intranets mit Zugängen über Mitarbeiter-Apps sind vielerorts schon selbstverständlich. Der zeit- und ortsabhängige Zugang zu Informationen und Relevanzfilter sind Erwartungen der Mitarbeitenden, denen viele Unternehmen mit neuen Plattformen Rechnung tragen. Auch für die Verschränkung von digitalen mit analogen Formaten gibt es zahlreiche kreative Beispiele. Die Herausforderung für jedes Unternehmen ist allerdings, den eigenen Weg zu finden: Viele der Lösungen sind nicht 1:1 kopierbar. Und dies wäre auch gar nicht sinnvoll. Stattdessen gilt es, genau hinzusehen, was die eigene Mitarbeiterschaft wirklich braucht und will. „Von den Großen lernen…“ heißt also, entlang der eigenen Unternehmenskultur und der Belegschaftsbedürfnisse zu adaptieren und zu kreieren.

Spannend wird dabei in vielen Häusern sein, wie sich die interne Kommunikation als gemeinschaftliche Aufgabe aller Mitarbeitenden des Unternehmens entwickelt: Die klassische Führungskaskade hat schließlich ausgedient, wo Mitarbeitende in relativer Selbstverwaltung und Teams agil arbeiten. Noch immer besteht zwar die Grundaufgabe von Menschen in Führung, eine Metaebene und Zusammenhänge herzustellen sowie Verständnis für Strategie und Leitplanken zu wecken. Aber die klassischen Rollenmuster sind passé. Das trifft in vielen Unternehmen die Führungskräfte unterhalb der ersten oder zweiten Ebene besonders hart, die in der Kommunikation bisher nicht selten defensiv und damit als eine Lehmschicht agiert haben. Ihre Funktion als Sprachrohr der Geschäftsführung hat in der neuen Welt ausgedient. Wie alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen müssen auch alle Personen in Führung künftig ihre Kommunikationsrollen bewusst gestalten. Und wie ein Unternehmen mit diesen Veränderungsprozessen umgeht und die Partizipation der Mitarbeiterschaft an der Entwicklung ermöglicht, bestimmt heute wesentlich die Mitarbeiterzufriedenheit und ist damit ein Faktor im „War of Talents“.

Sinnstiftung und Werte

Wenn über Employer Exprience gesprochen wird, ist häufig als eine Aufgabe die Sinnstiftung genannt. Und nein: Es wird jetzt nicht esoterisch! „Zusammengehörigkeit“ und „Identifikation“ von Mitarbeitenden mit ihrem Arbeitgeber haben jedoch heute nichts mehr mit kalkulierbarer Verlässlichkeit, dem Empfinden von Nähe und Geborgenheit zu tun. Sie sind Ergebnisse momentaner Befindlichkeiten. Menschen lassen sich auch heute zu Leistungen mobilisieren, aber ihre Zufriedenheit messen sie stärker denn je an der Qualität der Kommunikation in jedem Moment, an der gelebten Transparenz und eben der Sinnstiftung im Unternehmen. Das Leitbild, das in vielen Unternehmen ein Papiertigerdasein fristet, erlebt tatsächlich ein Revival: Aber nicht die Wirkung nach außen steht an erster Stelle – in Zeiten von abnehmender Loyalität helfen vielmehr die Definitionen von Unternehmenszweck („Purpose“) und Handlungsleitlinien auf der Basis von Werten bei der Gestaltung einer widerspruchsfreien, glaubwürdigen und wertschätzenden Employer Experience.

Künftig wird also nicht nur von den großen, sondern von allen Unternehmen eine gewisse Ambidextrie verlangt. Wer wettbewerbsfähig bleiben will, muss „alte“ Werte wie Stabilität, Verlässlichkeit und Sicherheit mit den „neuen“ Ideen wie Agilität, Modern Leadership und Employer Branding verknüpfen. Der (strategisch mit der externen Kommunikation verzahnten) internen Kommunikation kommt dabei zentrale Bedeutung zu, denn die Kommunikatoren verlautbaren nicht länger, sondern managen die Many-to-many-Kommunikation im Betrieb: Sie fungieren als Sparringpartner, Impulsgeber, Veränderungsmanager und Plattformorganisator.

Es gibt keine Faustformel für die dazu notwendigen zusätzlichen Ressourcen. Letztendlich ist dies kulturabhängig und eine strategische Entscheidung jeder Geschäftsleitung, was ihr die Gestaltung der Employer Experience wert ist. Halbherzige Umsetzungen („Machen Sie doch mal ein paar Maßnahmenvorschläge…“) allerdings bringen nichts, sondern sind eher eine Verschwendung von Geld, Zeit und Nerven. Der Verzicht sollte allerdings gut überlegt sein: So steil ist die These nicht, dass für viele Unternehmen künftig eine gute geführte interne Kommunikation wichtiger für den Erfolg sein könnte als die externe!

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