Kommunikationsdefizite als Krisenursache

Strategische Fehlentscheidungen, Strukturschwächen und Missmanagement: Fraglos sind dies klassische Auslöser für Unternehmenskrisen. Doch zunehmend sind es exogene Faktoren, die Unternehmen den Erfolg kosten (können). Viele aktuelle Beispiele zeigen, dass Unternehmen in Krisen mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen rutschen können, weil das Management die gesellschaftliche Dimension für das unternehmerische Handeln unterschätzt.

Krisen sind keine Phänomene, die nur Unternehmen in bestimmten Branchen oder von einer bestimmten Größe treffen können: Jede Organisation, die öffentlich auftritt und im Wettbewerb steht, ist potenziell krisengefährdet. Als Akteur in einem gesellschaftlichen Umfeld verfolgt sie Interessen, die sich naturgemäß nicht zu 100 Prozent mit den Interessen aller ihrer Anspruchsgruppen decken können. Und nicht zuletzt die sozialen Medien erlauben jedem, vermeintliche oder tatsächlich kritische Vorgänge unmittelbar öffentlich anzuprangern. 

Krisen entstehen also häufig nicht, weil Risiken zu tatsächlich eintretenden Ereignissen werden, sondern weil eine unternehmensrelevante Entwicklung zu spät wahrgenommen oder in ihrer Bedeutung unterschätzt wird. Fehlende oder falsche Kommunikation kann dann zum wahren Krisenauslöser werden. Viele der großen Unternehmenskrisen der Vergangenheit wurden erst recht dramatisch, als im Licht der Öffentlichkeit das jeweilige Management unter Druck unangemessen Stellung nahm, die Situation mit rein absenderorientierten Botschaften herunterspielte oder sie durch Schweigen zunächst einmal auszusitzen versuchte. 

Tatsächlich gibt es vor allem im Mittelstand immer noch das Gefühl, so wenig wie möglich aktiv kommunizieren zu wollen und „irgendwie unter dem Radar fliegen“ zu können. Doch in unserer heutigen Gesellschaft mit ihrem Informationsanspruch und Medienverhalten kann sich kein Unternehmen mehr eine solche Haltung erlauben. Die gesellschaftlichen Gruppen erwarten nicht nur eine zu ihren individuellen Ansprüchen passende, relevante Informationspolitik, sondern auch die Wahrnehmung auf Augenhöhe. Das Verhalten eines Unternehmens, seine Reflexionsfähigkeit und seine Veränderungsbereitschaft werden immer häufiger zum Gegenstand des Interesses. Unternehmen können also nicht nur mit Positivmeldungen „Nabelschau“ betreiben, sondern müssen sich mit ihren Anspruchsgruppen und deren Erwartungen auseinanderzusetzen, sie ernst nehmen – und zwar im (oft ungeliebten) Dialog.

Erfüllen Unternehmen diese Erwartungshaltung nicht, formiert sich schnell Ablehnung – und dies im Absatzmarkt genauso wie im lokalen Umfeld. Spätestens in kritischen Situationen müssen ManagerInnen plötzlich und schmerzhaft erkennen, dass ihnen die Gesellschaft „da draußen“ die Handlungsfreiheit genommen hat – selbst, wenn sie kurzfristig zu Unrecht an den Pranger gestellt sein sollten.

Richtig ist, dass sich Krisen vielfach nicht verhindern lassen. Aber gutes Krisenmanagement bietet die Chance, durch adäquate Kommunikationsmaßnahmen eine gewisse Handlungsfreiheit zu behalten. Dazu gehört, das Medieninteresse an der jeweiligen Krise schnell zu verstehen, präzise das wirkliche Problem zu ermitteln, eine Strategie (auch in den möglichen Eskalationen) festzulegen, den Informationsfluss zu planen und die Ergebnisse der Kommunikation zwischen Unternehmen und Stakeholdern so zeitnah wie möglich bewerten zu können. 

Eine Vorbereitung in „Friedenszeiten“ ist dazu unumgänglich, denn Aktivität und Schnelligkeit sind in der Krise Qualitätsmerkmale.  Die Grundlagen sind ein systematisch erworbenes und gepflegtes Wissen um die eigenen Issues und Anspruchsgruppen, eine Risikobewertung sowie die präventive Erarbeitung von Handlungsoptionen.

Allerdings: Wer ein effizientes präventives Krisenmanagement etablieren will, muss bereit sein, kontrovers und kritisch miteinander zu diskutieren. Denn die Beschäftigung mit den Worst Cases und ihren (kommunikativen) Folgen löst in manchem das Gefühl aus, die Krise förmlich herbeizureden. Zudem schwingen nicht selten Ängste mit, im Prozess bis dato unbekannte Schwachstellen zu offenbaren und damit erst angreifbar zu werden. Im Ergebnis allerdings sind Unternehmen mit einer solchen Prävention deutlich erfolgreicher in der Bewältigung von Krisen als ohne.